Monday, June 14, 2010
Der Sommer sowie die Fußball-Weltmeisterschaft 2010 stehen vor der Tür. Musik-kulturell ist diese Zeit traditionell sehr ruhig. Um die Zeit zu überbrücken, möchte ich einen Tour-Bericht über die Leeroy Stagger & The Wildflowers Tour 2009 in mehreren Kapiteln verfassen. Mehrere Kapitel? Tja, das erfordert diese epische Tour über nahezu 8.000 km durch Deutschland (und einen Auftritt in Holland) ganz einfach.

Eine epische  Tour war es auf jeden Fall. Das Raumfahrtzentrum stellte für diese Tour nicht nur ein Fahrzeug („The Silver Bullet“), einen begehbaren Großraum-Anhänger und  eine bildhübsche Gretsch Black Falcon zur Verfügung; es organisierte darüber hinaus auch die Logistik für die Backline (zwei Gitarrenverstärker, einen Bass-Verstärker,  Schlagzeug), die freundlicherweise vom Plattenlabel Blue Rose aus Heilbronn bereitgestellt wurde. Außerdem spendierte ich drei Wochen meines Urlaubs, um die Band als Tourmanager, Übersetzer, Merch-Girl, Mediator etc. zu begleiten.

Die komplette Backline lagerte seinerzeit bereits eine Woche lang in meinem Büro in Essen und wartete darauf, endlich zum Einsatz zu kommen. Für den Transport war ein Koffer-Anhänger erforderlich. Dieser war bei einer Mülheimer Firma elektronisch reserviert. Zwei Tage vor Tourbeginn machte ich mich auf den Weg, den Hänger abzuholen. Auf dem Parkplatz des Vermieters angekommen, standen dort nur zwei abgewrackte Hänger mit Kunststoff-Überzug. Der Vermieter teilte mir mit, der reservierte Kofferhänger sei in Spanien unterwegs. Na, großartig. Das wertvolle Backline-Equipment konnte auf gar keinen Fall in solch ungeschütztem Hänger transportiert werden. Die Tour war noch nicht einmal angefangen und schon gab es das erste richtig große Problem. Der Vermieter zog sich den Schuh gar nicht erst an und sah sich nicht in der Verantwortung. Die elektronische Bestätigung stamme vom Haus in Dortmund. Da müsse er nicht für einen Hänger garantieren. Das Haus in Dortmund hatte allerdings auch keinen Hänger bereitstehen. Woher in der Kürze der Zeit jetzt noch einen Koffer-Hänger auftreiben? Der Vermieter nannte mir einen Kontakt in Ratingen. Dort gebe es noch einen abschließbaren Koffer-Hänger bei einem kleinen Vermieter.

Da Eile geboten war, nahm ich kurzerhand telefonisch Kontakt mit dem Anbieter auf und fuhr direkt zur angegebenen Adresse. Vor dem Haus des Händlers stand ein völlig heruntergekommener Tiefkühlhänger, der auf einen Holzrahmen montiert war. Stahlseile, die quer über den Kühlcontainer gespannt wurden, sollten der Konstruktion eine bessere Stabilität verleihen. Der Holzrahmen war über und über mit altem McDonalds-Verpackungsmüll bedeckt; der Kühlcontainer komplett unter Rost gesetzt und augenscheinlich zu klein, um die Backline zu transportieren. Also, diese Variante kam ebenfalls nicht in Frage. Für keine noch so geringe Mietgebühr der Welt. Eine andere Lösung musste her.

Und so hörte ich mich im Freundes- und Bekanntenkreis nach anderen Möglichkeiten um, telefonierte mit anderen Anbietern. Und jeder sagte mir, Koffer-Hänger seien dermaßen gefragt, dass zur Vermietung eine Vorlaufzeit von drei Monaten erforderlich sei. Zufälligerweise sprach ich am selben Abend noch mit einem Nachbarn, der Kontakt zu einer Baugeräte-Firma in Krefeld besaß und genau dort wurde ich fündig: ein niegelnagelneuer, abschließbarer, vollgebremster und begehbarer Koffer-Hänger war noch zu haben. Am Vormittag des nächsten Tages holte ich den Hänger ab – das war auch höchste Zeit, denn am selben Nachmittag wollten Leeroy Stagger & The Wildflowers mit der Bahn aus Amsterdam kommend anreisen.

Und pünktlich um 16:00 Uhr schlugen die Jungs mit der Bahn am Duisburger Hauptbahnhof auf. Alle vier (Leeroy, Kevin Kane, Tyson Maiko und Ian Browne) waren nicht nur Jet Lag geschädigt, auch das Experimentieren mit frei verfügbaren Drogen im Rotlichtviertel von Amsterdam trug seinen Teil zur allgemeinen Abgeschlagenheit bei. Die Gästezimmer wurden bezogen und das Raumfahrtzentrum sollte für die Dauer der Tour zum „Base Camp“ werden. Nach einem leckeren Abendessen machten wir uns auf den Weg nach Essen, um die Backline in den Hänger zu verfrachten. Hier merkte man den Musikern zum ersten Mal ihre Erfahrung mit der Tourlogistik an: die Backline war innerhalb kürzester Zeit aus der dritten Etage geholt und in den Hänger verfrachtet worden. Die Backline-Anlieferung des Spediteurs war ein paar Tage zuvor mit deutlich mehr Aufwand (und Personal) entgegengenommen und in die dritte Etage des Büros getragen worden.
Am nächsten Mittag machten wir uns bei herrlichem, sonnigen Herbstwetter gegen 12:00 Uhr auf den Weg zur ersten Station der Tour: dem Panorama-Museum in Bad Frankenhausen/Thüringen. Nach ca. zwei Stunden Fahrt gab es den ersten Stopp an einer Raststätte an der A44 kurz vor Kassel – und es sollte der Auftakt einer Serie von Raststättenbesuchen der nächsten drei Wochen sein. Bei meinen Kontakten mit nordamerikanischen Musikern ist mir desöfteren deren Vorliebe für deutsches Wurstgut aufgefallen. Und so wurde auch hier beim ersten Autobahn-Halt die Gelegenheit zur fettigen Bratwurst genutzt.

Der Routenplaner hatte eine Gesamtfahrt von ca. 3h 50m berechnet. Nach ungefähr dieser Zeit fuhren wir in einen Stau im Bereich der A7/A38. Zunächst wurde dort die Autobahn einspurig, anschließend führte uns eine Umleitung von der Autobahn durch die Wallachei. Dies brachte aber den Umstand mit sich, dass wir in einer Ortschaft (das muss Niedergebra gewesen sein) einen Bratwurst-Stand mit Original-Thüringer Rostbratwürsten entdeckten. Tja, hier musste ein Halt eingelegt und lokale Esskultur ausprobiert werden. Mit großem Erfolg. Gesättigt fuhren wir weiter, wohl wissend, dass wir schon spät dran waren und in Bad Frankenhausen zunächst in die Pension einchecken mussten, bevor wir uns auf den Weg zum Panorama-Museum machen konnten. Und so setzten wir die Fahrt nach Bad Frankenhausen im zähen Freitag-Abend-Verkehr fort.

In Bad Frankenhausen nach ca. 6stündiger Fahrt angekommen, stellten wir das nächste Problem fest: die Pension lag mitten in einer Großbaustelle und war mit Van + Anhänger nicht anzufahren. Das Navigationssystem lotste uns ständig um den Stadtkern herum, bis wir endlich einen Parkplatz in ca. 500m Entfernung fanden. Von dort aus transportierten wir unser Gepäck zu Fuß zur Pension. Und dann eine Überraschung: Was für eine Absteige war das denn!?!? Ein gelbsüchtiges Kerlchen ließ uns ins komplett verräucherte Gebäude und teilte uns die Zimmer zu. Mein Zimmer lag im Erdgeschoß zum Hinterhof und war eine dunkle, dreckige Kammer mit völlig versifftem Teppichboden und einem fürchterlich klammen Bett, die Dusche verschimmelt und das ganze Bad von Zigarettenbrandflecken angekokelt.

Das ist also Rock’n’Roll? Stellt sich so das Leben „on the road“ dar? Ich beeilte mich, aus dem Haus zu kommen und wartete am Fahrzeug auf die Musiker, die von der Unterkunft ebenfalls herbe enttäuscht waren. Mit diesem Aufenthalt wurde das Wort „Pension“ ein flüssiger Begriff. An anderer Stelle werde ich noch mal darauf zurückkommen.

Gegen 19:00 Uhr erreichten wir das Panorama-Museum, wurden freundlich aber aufgeregt von Fred begrüßt und luden den Hänger aus. Dabei stellten wir fest, dass die Backline ohne Netzkabel geliefert wurde. Murphy’s Law. Ein einzelnes Standard-Netzkabel konnte im Museum aufgetan werden. Kevin Kane konnte auf den Trainings-Verstärker von Promoter Fred zurückgreifen. Ein schneller Soundcheck, ein leckeres Essen im Restaurant des Panorama-Museums, währenddessen sich der Veranstaltungsraum sehr gut füllte und gegen 20:30 Uhr begann die erste Leeroy Stagger & The Wildflowers Show in Europa!

Die Stimmung war von Beginn an großartig und das Publikum ging toll mit. Für mich war es ein pures Vergnügen: Leeroy ist ein phantastischer Songwriter und ein toller Performer, Kevin Kane ein Zauberer an der Gitarre, Tyson Maiko am Bass ein grundsolider, funkiger Player, Ian Browne zündete am Schlagzeug ein Feuerwerk. Die reinste Freude, immer wieder Gänsehaut. Schon hier war mir klar: es war die absolut richtige Entscheidung, diese Tour zu begleiten. Der Gedanke daran, noch ca. 20 weitere Shows zu sehen, sorgte für pure Verzückung!

In der Pause zwischen den beiden Sets kam eine Zuschauerin auf Kevin zu und teilte ihm auf englisch (mit russischem Akzent) mit, er habe tolles „Harr“. Auch dieser Begriff wurde zu einem geflügeltem Wort. Gegen 23:00 Uhr und nach zwei Zugaben war die Show vorbei, die Besucher versorgten sich noch mit CDs und Fan-Devotionalien, während wir das Equipment abbauten und wieder im Hänger verstauten. Gegen 1:30 Uhr erreichten wir bei inzwischen Minus-Temperaturen die Pension und gingen auf unsere Zimmer. 

Dort angekommen kam mir die Erinnerung an die dreckige Kammer. Die Heizung in meinem Zimmer funktionierte nicht, aus diesem Grund war es inzwischen bitter kalt im Zimmer geworden. Was dazu führte, dass ich die feuchte Klammheit des Bettes nur noch deutlicher wahrnahm. Der Geruch und die Feuchtigkeit des Bettes waren nicht zu ertragen und so zog ich meine Jeans wieder an, ein normales Hoodie sowie ein dickes Fleece-Hoodie und zwei Paar Socken!! Ich konnte dabei nicht anders, als auch die Kapuze aufzusetzen und eng zu schnallen, damit das Bett meine Haut nicht berühren konnte.

Na, wenn das der Tourauftakt sein sollte - ein Meilenstein - was sollte dann noch kommen?

Für das Frühstück hatten wir uns um 9:00 Uhr verabredet. Wenn ich mich recht entsinne, habe ich in dieser Nacht von ca. 4 Uhr bis 6 Uhr geschlafen und mich danach fertig gemacht. Wobei: „fertig“ war ich da bereits. Nach dem Frühstück haben wir uns zunächst noch einmal das Panorama-Museum in Bad Frankenhausen angesehen. Fred Böhme, der lokale Promoter führte dort eine Besuchergruppe durch das Museum. Kurz darauf machten wir uns auf den Weg nach Weimar, besorgten uns in einem Musik-Laden in Bad Frankenhausen zuvor aber noch Netzkabel. Für die Show in Weimar mussten wir aber auch dort zunächst in einer Pension in Obernissa einchecken.

Gegen Mittag erreichten wir das kleine Dorf Obernissa und warteten dort (nachdem uns das Navigationssystem schön über einen Acker gelotst hatte) auf den Vermieter der Pension. Überhaupt besteht das Leben auf Tour im Wesentlichen aus Fahren, dem Essen ungesunder Lebensmittel, wenig Schlaf und: Warten.

  • Warten darauf, dass die Fahrt losgeht
  • Warten auf Kevin Kane
  • Warten auf die Vermieter
  • Warten auf die Bezahlung
  • Warten darauf, dass die Show endlich losgeht
Weiter geht es (bald) mit Teil 2 ...

0 comments:

Post a Comment

nächste Hauskonzerte

27.04.2012 Matt Epp
12.05.2012 Borussia, Olympiastadion, Berlin
07.10.2012 Danny Michel
29.10.2012 Leeroy Stagger & Band
23.11.2012 Corin Raymond


Raumfahrtzentrum Saarner Kuppe

facebook integration

Newsletter abonnieren

join our mailing list
* indicates required